Den Blick heben – gerade jetzt

Zum Jahresende geht es um Dank, um Haltung und um den Mut, den Blick zu heben. Ein persönlicher Weihnachtskommentar über Verantwortung, Freiheit, Europa – und die Entscheidung, 2026 nicht dem Pessimismus zu überlassen.

Es gehört zu den Paradoxien unserer Zeit, dass wir gerade dort am meisten zweifeln, wo wir historisch am stärksten sind. Zwischen Dauerkrise, Schlagzeilen und Erschöpfung fällt es leicht, den Blick zu senken. Doch genau jetzt wäre das der falsche Moment. Denn wer Zukunft will, darf sich dem Jetzt nicht entziehen.

Der Jahreswechsel ist eine besondere Zeit. Für einen kurzen Moment scheint das Land den Atem anzuhalten. Termine enden, Sitzungen pausieren, der politische Alltag tritt einen Schritt zurück. Es ist kein Stillstand – es ist ein Innehalten. Und gerade in Zeiten großer Verunsicherung ist dieses Innehalten von unschätzbarem Wert.

Diese Tage sind mehr als Erholung. Sie sind eine Einladung zur Selbstvergewisserung. Zur ehrlichen Frage, wie wir auf uns selbst, auf unser Land und auf Europa blicken – und mit welcher Haltung wir in das kommende Jahr gehen.

In diesen Tagen gilt mein besonderer Respekt all jenen, für die es keinen Jahresendmodus gibt. Den Menschen, die Kranke versorgen und Pflege leisten. Denen, die unsere Sicherheit gewährleisten. Denjenigen, die Energie bereitstellen, Lieferketten aufrechterhalten, Züge steuern, Busse fahren, Flughäfen am Laufen halten. Sie übernehmen Verantwortung, während andere zur Ruhe kommen. Dass unser Alltag funktioniert, dass wir die Feiertage in Sicherheit und Wärme verbringen können, ist kein Automatismus. Es ist das Ergebnis von Einsatz, Kompetenz und Pflichtbewusstsein.

2025 war ein Jahr, das vielen viel abverlangt hat. Und es wäre unehrlich, zu behaupten, dass 2026 von selbst leichter wird. Aber genau deshalb dürfen wir weder jetzt noch im kommenden Jahr den Kopf in den Sand stecken. Rückzug mag menschlich sein – Fortschritt entsteht daraus nicht. Wer Zukunft gestalten will, muss bereit sein, sich ihr auszusetzen.

Die kurze Zeit des Innehaltens ist kein Rückzug aus der Verantwortung. Sie ist eine bewusste Pause, um sich neu auszurichten. Um Prioritäten zu klären. Um sich daran zu erinnern, dass Gestaltung immer bei der eigenen Haltung beginnt.

Bei allen Herausforderungen lohnt ein nüchterner Blick auf das, was uns trägt: Deutschland ist nach wie vor eines der leistungsfähigsten, freiesten und stabilsten Länder der Welt. Nicht, weil alles gut ist – sondern weil wir über Institutionen verfügen, die tragen, über Menschen, die Verantwortung übernehmen, und über eine Gesellschaft, die mehr kann, als sie sich oft selbst zutraut. Und wir sind Teil einer europäischen Gemeinschaft, die historisch einzigartig ist und deren Wert wir gerade in unruhigen Zeiten neu begreifen sollten.

Europa ist keine Selbstverständlichkeit. Es ist das Ergebnis von Entscheidungen, von Mut, von der Bereitschaft, Freiheit, Wohlstand und Sicherheit gemeinsam zu organisieren. Dass wir heute in offenen Gesellschaften leben, mit starken Rechten, mit Chancen zur Teilhabe und mit wirtschaftlicher Stärke, ist eine Errungenschaft – und damit auch ein Auftrag.

Zu oft aber reden wir uns klein. Wir beschreiben uns als zu langsam, zu schwach, zu überfordert. Dabei vergessen wir, dass Freiheit, Rechtsstaatlichkeit, individuelle Entfaltung und wirtschaftliche Leistungsfähigkeit weltweit keineswegs die Regel sind. Millionen, ja Milliarden Menschen würden gerne in Verhältnissen leben, die wir kritisieren, weil wir sie weiterentwickeln wollen. Diese Kritik ist richtig – aber sie sollte aus Selbstvertrauen entstehen, nicht aus Selbstverachtung.

Ich wünsche mir, dass 2026 das Jahr wird, in dem wir uns wieder stärker darauf besinnen: Veränderung beginnt nicht in Parolen und nicht im bloßen Ruf nach dem Staat. Sie beginnt bei uns selbst. In der Bereitschaft, Verantwortung zu übernehmen. In der Offenheit, Neues zuzulassen. In der Einsicht, dass Freiheit ohne Eigenverantwortung nicht funktioniert – und Fortschritt ohne Mut nicht entsteht.

Wir müssen lernen, Komplexität auszuhalten. Grautöne zu akzeptieren. Unterschiedliche Perspektiven nicht als Bedrohung, sondern als Stärke zu begreifen. Und ja, wir müssen bereit sein, Risiken einzugehen – wissend, dass nicht jeder Versuch gelingt. Aber ohne die Bereitschaft zum Scheitern gibt es keine Erneuerung.

Was wir brauchen, ist Vertrauen. Vertrauen in die Menschen. Vertrauen in ihre Fähigkeit, Probleme zu lösen. Vertrauen in demokratische Prozesse, in offene Debatten und in die Kraft einer Gesellschaft, die mehr ist als die Summe ihrer Ängste. Nicht naiv, nicht blind – sondern mit klarem Blick und festem Willen.

Gerade jetzt entscheidet sich, ob wir uns im Pessimismus einrichten oder Zuversicht organisieren. Ich bin überzeugt: Unser Land, unsere Stadt, unser Kontinent verdienen Letzteres.

Deshalb werden wir auch 2026 weiter daran arbeiten, Steglitz-Zehlendorf, Berlin, Deutschland und Europa Schritt für Schritt besser zu machen. Nicht mit großen Versprechen, sondern mit Haltung. Nicht mit einfachen Antworten, sondern mit dem Mut, Verantwortung zu tragen und Freiheit ernst zu nehmen.

Zuversicht ist kein Zustand.
Sie ist eine Entscheidung.
Treffen wir sie – gerade jetzt.

Ihr Tobias Bauschke

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