Der alte Mann Europas – und die vertane Zeit.

Deutschland galt schon mehrfach als der „kranke Mann Europas“. Heute passt ein anderes Bild besser: Wir sind der alte Mann Europas. Ein Land, das altert, sich an vergangene Erfolge klammert und Reformen scheut. Das Zeitfenster, um das Renten- und Alterssicherungssystem zukunftsfähig zu machen, schließt sich – und mit jedem Jahr wird der Preis des Nichthandelns höher.

Die demografischen Fakten sind eindeutig. Zwar stabilisiert Zuwanderung die Bevölkerungszahl, doch sie kann die Alterung nicht aufhalten. Immer mehr Rentner stehen immer weniger Beitragszahlern gegenüber. Das Umlagesystem, einst ein Garant sozialer Stabilität, wird zu einer Hypothek für kommende Generationen. Wer daran festhält, zementiert ein System, das nur noch durch höhere Beiträge, spätere Renten und wachsende Transfers künstlich am Leben erhalten werden kann.

Eine Reform ist unausweichlich. Sie wird nicht ohne Zumutungen auskommen. Aber sie ist notwendig, wenn Deutschland ökonomisch handlungsfähig bleiben will. Dazu gehört, die kapitalgedeckte Vorsorge endlich zu einem festen Bestandteil des Systems zu machen, Anreize zur Eigenvorsorge zu schaffen und Arbeit stärker zu belohnen. Nur so kann ein fairer Ausgleich zwischen Solidarität und Verantwortung entstehen.

Die Politik weiß das – und sie schweigt. Aus Angst vor der älteren Wählerschaft, die längst weiter ist, als viele glauben. Viele der heute Älteren wissen, dass Stabilität nicht durch Stillstand entsteht. Sie wünschen sich, dass ihre Kinder und Enkel in einem Land leben, das Wohlstand und Sicherheit auch morgen noch garantieren kann.

Die Junge Union hat den Anfang gemacht. Nun liegt es an der CDU, diesem Impuls zu folgen. Gerade eine Partei, deren Wählerbasis älter ist, könnte beweisen, dass Verantwortungsbewusstsein keine Frage des Geburtsjahres ist, sondern der politischen Haltung.

Deutschland verliert derzeit an Wettbewerbsfähigkeit, Innovationskraft und Selbstvertrauen. Doch die Grundlagen sind vorhanden – Wissen, Kapital, Institutionen, Talent. Es fehlt nicht an Potenzial, sondern an Entschlossenheit.

Noch ist Zeit, das Ruder herumzureißen. Aber sie verrinnt. Wer jetzt Mut zeigt, kann den alten Mann Europas wieder aufrichten – und aus ihm ein Land machen, das an sich glaubt.

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