Ein Appell an meine FDP: Richtung und Überzeugung sind wichtiger als schneller Applaus.
Freiheit braucht Richtung – nicht bloße Reaktion
Vom liberalen Standpunkt aus zu argumentieren, war selten bequem – doch genau darin liegt seine Stärke. Liberalismus begegnet der Welt nicht mit Ressentiment oder Pessimismus, sondern mit Vertrauen: in den Menschen, seine Vernunft, Kreativität und Verantwortung. Gerade in einer unübersichtlichen politischen Landschaft stehen deutsche Liberale an einer Weggabelung: Entweder sie verkommen zur randständigen Protestbewegung, die mit wirtschaftlichem Darwinismus und kulturpessimistischer Rhetorik am rechten Spielfeldrand verweilt. Oder sie wagen es, das liberale Projekt neu zu denken – optimistisch, mutig, menschenfreundlich.
In der FDP und im weiteren liberalen Spektrum häufen sich jene Stimmen, die an klassische Rezepte nicht mehr glauben und es sich in der bequemen Nische des Protests gemütlich machen. Kritische Begriffe wie „Verbotskultur“, „Staatsgläubigkeit“ und „Wokeness“ dienen dabei nicht nur als Ventil, sondern werden zur politischen Strategie. Doch was so auf der Strecke bleibt, ist der Kern des Liberalismus: das Vertrauen in die Freiheit als gestaltende Kraft. Der Preis dieser Flucht in populistische Nebelzonen wäre hoch – zu hoch.
Denn Liberalismus, der mehr sein will als ein intellektuelles Feigenblatt, darf sich nicht in einer protestierenden Pose erschöpfen. Wer sich in endloser Klage über angeblich übergriffige Klimapolitik, „Genderwahn“ oder „zu viel Europa“ verliert, mag kurzfristigen Applaus ernten, verkennt aber die eigentliche Rolle des Liberalismus in der deutschen und europäischen Gesellschaft. Der Preis: ein schleichender Verlust an Glaubwürdigkeit, Relevanz und politischer Substanz. Jetzt braucht es keinen Liberalismus der Reaktion, sondern einen Liberalismus der Richtung.
Freiheit bedeutet Verantwortung – für sich selbst, für andere, für das Gemeinwesen. Diese Verantwortung lässt sich nicht kaschieren durch nationalen Rückzug, kulturelle Abgrenzung oder wirtschaftliches Ellbogen-Denken. Freiheit verlangt Teilhabe, Offenheit, Vertrauen in Bildung, Wissenschaft, Unternehmergeist – und in die Fähigkeit der Gesellschaft zur Erneuerung. Die FDP – wenn sie es ernst meint – darf nicht zur zweiten AfD in smarter Verpackung werden. Auch eine FDP light mit lauter Stimme, aber leerem Menschenbild, hat keinen Platz im liberalen Projekt.
Deutschland braucht keine Partei, die auf Wut oder Enttäuschung setzt, sondern eine, die Mut macht, Hoffnung gibt – und zeigt, warum Engagement sich lohnt. Das liberale Versprechen war nie das der schnellen Lösung, sondern dass der einzelne Mensch, ausgestattet mit Freiheit und Verantwortung, mehr erreichen kann als ein zentral planender Staat. Dass die Würde des Menschen nicht bloße Floskel, sondern Leitmotiv ist. Und dass Fortschritt dort entsteht, wo Zuversicht statt Angst regiert.
Ein moderner Liberalismus verbindet wirtschaftliche Vernunft mit gesellschaftlicher Offenheit. Er darf Leistung und Mitmenschlichkeit nicht gegeneinander ausspielen, Innovationskraft nicht gegen Nachhaltigkeit, Ordnung nicht gegen Weltoffenheit. Der liberale Kompass richtet sich an einer Mitte aus, die Verantwortung übernimmt – nicht am rechten Rand.
Die aktuelle Profilsuche der FDP ist keine Zerreißprobe, sondern ein notwendiger Klärungsprozess. Die Richtung muss klar sein: Raus aus der Klage, hinein in die Debatte. Keine Angstpartei, keine Trotzpartei – sondern eine Zukunftspartei. Wir dürfen uns von der Verunsicherung der Gegenwart nicht lähmen lassen. Ja, viele sind verunsichert – aber sie sind nicht verloren. Es braucht nicht mehr Politik des Bauchgefühls, sondern des Vertrauens: Nicht nur in Institutionen, sondern vor allem in den Einzelnen und seine Fähigkeit, Freiheit verantwortungsvoll zu nutzen.
Liberalismus ist kein Rückzugsraum für Enttäuschte, sondern ein Ort des Aufbruchs. Für jene, die an Fortschritt, Vernunft und Gestaltbarkeit von Zukunft glauben. Ihnen gilt unsere politische Stimme, unser Engagement. Jetzt ist nicht die Zeit, dem Applaus der Empörten hinterherzulaufen. Jetzt ist die Zeit für Haltung – ohne Arroganz, aber mit Rückgrat. Die FDP kann das. Der Liberalismus kann das. Und unser Land braucht das – mehr denn je.